Diese Sitzung widmet sich der Bedeutung der unterschiedlich (de)privilegierten gesellschaftlichen Positionierungen von Menschen sowie den damit verbundenen Konsequenzen im Zusammenhang mit Rassismus. Hierfür werden Argumentationslinien der sog. Kritischen Weißseinsforschung thematisiert und reflektiert.
Nach dieser Einheit…
Durch die Konstruktion des „Anderen“ entsteht gleichzeitig immer ein dazu abgegrenztes, „normales“ „wir“. In der kritischen Weißseinsforschung, die ihre Rahmung in den angloamerikanischen postkolonialen Theorien hat (Wollrad 2005, S. 44-48), bewegt man sich deshalb vom Reden über die „Anderen“ hin zur Thematisierung des weißen Selbst. Dieser Schritt spiegelt „das Bemühen darum, den kritischen Blick vom rassischen Objekt zum rassischem Subjekt zu wenden; von den Beschriebenen und Imaginierten zu den Beschreibenden und Imaginierenden; von den Dienenden zu den Bedienten“ (Morrison 1995, S. 125 zitiert in Wollrad 2005, S. 123). Weißsein stellt hier keine biologisch zu verstehende Kategorie (kein Mensch ist wirklich weiß, genauso wenig wie wirklich schwarz), sondern eine konstruierte politische Kategorie dar und wird aus diesem Grund häufig groß oder kursiv geschrieben. Weiß bezeichnet also keine Gruppe an Menschen mit gleicher Hautfarbe, sondern die soziale Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Diese soziale Zugehörigkeit kann je nach Situation auch variieren. Mit der politischen Kategorie weiß soll es möglich sein, gesellschaftliche Privilegierung und Deprivilegierung in unterschiedlichen Kontexten zu benennen und zu untersuchen. Im bundesdeutschen Kontext ist z.B. die Verknüpfung von „Deutsch-Sein“ mit Weißsein Gegenstand der kritischen Weißseinsforschung (Walgenbach 2005).
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig darüber nachzudenken, wie unsere eigenen sozialen Zugehörigkeiten uns in unserem (alltäglichen wie unterrichtlichen) Handeln anleiten können und welche Rolle dabei politische Kategorien wie weiß, Schwarz (1) oder People of Color (PoC) (2) spielen.
(1) widerständige Selbstbezeichnung, um auf Ungleichheiten aufgrund der zugeschriebenen Hautfarbe hinzuweisen (vgl. Black Lives Matter)
(2) Menschen mit Rassismuserfahrungen aufgrund ihrer zugeschriebenen Hautfarbe
Literatur
Walgenbach, K. (2005). ›Weißsein‹ und ›Deutschsein‹ – Historische Interdependenzen. In: Eggers, M. M. et al. (Hg.) Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster: Unrast, S. 377–393.
Wollrad, E. (2005). Weißsein im Widerspruch: Feministische Perspektiven auf Rassismus, Kultur und Religion. Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag.
Hyatt, M. (2015). Weißsein als Privileg. Link zum Artikel
Morrison, T. (1992). Playing in the Dark. Whiteness and the Literary Imagination. New York: Vintage.
Wollrad, E. (2005). Weißsein im Widerspruch: Feministische Perspektiven auf Rassismus, Kultur und Religion. Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag.